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Aufführungs- und Diskursgeschichte. 540 S., zahlreiche Tabellen, Hardcover
Um kaum ein Werk "geistlicher" Musik hat es so heftige Diskussionen gegeben wie um die Missa solemnis Ludwig van Beethovens. Der Diskurs um Für und Wider dauert bis heute an, wird jedoch vielfach geschichtsblind geführt. In diesem Buch geht es darum, des Diskurs "Missa solemnis" in seinen Anfängen zu beleuchten und dann über das ganze 19. Jahrhundert hinweg zu verfolgen. Dabei wird deutlich, in welchem Umfang die aktuelle Diskussion auf Positionen beruht, die gelegentlich schon zu Lebzeiten Beethovens aufgebaut wurden. Selbst Theodor W. Adornos ambivalente Haltung zur Missa solemnis gründet in Prämissen, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Um die ganze Breite des Diskurses im deutschsprachigen Raum sichtbar zu machen, wird das Quellenmateral in Form eines Readers weitgehend vollständig vorgelegt. Eine Liste der Aufführungen der Missa solemnis von 1824 bis 1900 dokumentiert außerdem den Stellenwert des Werkes in der Konzertpraxis des 19. Jahrhunderts.
Inhalt:
I. Aufführungs- und Diskursgeschichte
II. Liste der Aufführungen von 1824 bis 1900 (incl. Übersicht der Dirigenten, Sänger und Instrumentalisten)
III. Reader der Äußerungen zur Missa solemnis (incl. Liste der Zeitschriften und Aufschlüsselung von Pseudonymen)
Takashi Numaguchi, geboren am 24. Mai 1971 in Tokio, studierte Musikwissenschaft an der Universität für bildende Künste und Musik in Tokio, wo er den Magistergrad erwarb, und an der Universität Dortmund, zuletzt als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). 2006 promovierte er in Dortmund mit der im Verlag Dohr veröffentlichten Arbeit über Beethovens Missa solemnis. Zurzeit ist er als Lektor an japanischen Universitäten und freiberuflich tätig.
Pressestimmen
"Als ob man „in einem Irrenhause” wäre, erboste sich ein Rezensent nach einer Aufführung der Missa solemnis anno 1828 – und protestierte damit nicht nur gegen den vermeintlich abstrusen Zuschnitt der Komposition, sondern auch gegen jene Kollegen, die es selbst bei offensichtlichem Unverständnis tunlichst vermieden, sich an den vorgeblichen „Produkten eines Göttersohnes” mit allzu scharfer Kritik womöglich zu versündigen. Das breite Panorama der Einschätzungen von Beethovens „größtem Werk” ist jetzt in einem über 400 Seiten starken „Reader” dokumentiert, den Takashi Numaguchi in Rahmen seiner Dortmunder Dissertation erarbeitet hat. Sämtliche Äußerungen über die Missa solemnis im 19. Jahrhundert in deutschsprachigen Zeitschriften und Buchpublikationen sind hier im Volltext nachzulesen.
Die archivalische Forschungsleistung des Autors ist hoch zu veranschlagen, weil Numaguchi in seinem voluminösen Opus auch eine Fülle entlegener Quellen zitiert. Für die Musikwissenschaft ist der nunmehr problemlose Zugang zu diesen weit verstreuten Zeitdokumenten also uneingeschränkt zu begrüßen. Dies gilt auch für die chronologische Aufstellung sämtlicher Aufführungen der Missa solemnis von ihrer mutmaßlichen Uraufführung in St. Petersburg am 7. Mai 1824 bis zur Jahrhundertwende.
Vorangestellt ist diesen beiden Verzeichnissen ein 50 Seiten langer Kommentar, in dem der Autor die Rezeption der Missa solemnis in ihren Grundzügen konturiert. Hier arbeitet Numaguchi heraus, dass die Reaktionen auf Beethovens große Messkomposition lange zwischen Bewunderung und Unverständnis schwankten, das Werk später, forciert durch die Kontroverse zwischen Traditionalisten einerseits und Vertretern der Neudeutschen Schule andererseits, zum ästhetisch strittigen Gegenstand geschichtsphilosophischer Deutungen wurde und unter caecilianischen Vorzeichen schließlich zum Streitobjekt in liturgischen Grundsatzfragen geriet. Bei alledem, so kann der Autor zeigen, finden sich manche Deutungsansätze der Gegenwart bereits im 19. Jahrhundert vorformuliert – etwa von Ludwig Nohl, der die Missa solemnis schon in den 1870er Jahren aus biographischem Blickwinkel heraus interpretierte. So eröffnet Numaguchis Buch auch über die Erschließung einer riesigen Materialfülle hinaus Zugänge, die für weitere Detailuntersuchungen zur Rezeptionsgeschichte der Missa solemnis vielfältig zu nutzen sind. (Sven Hiemke in Musik und Kirche Nov./Dez. 2006, S. 437)