Penderecki, Krzysztof (1933-2020)
Cherubinischer Lobgesang für gem. Chor (SSAATTBB) a cap. (Chorpartitur)
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Cherubinischer Lobgesang:
Anfang 1987 hat Penderecki den zwölfstimmigen A-Capella-Chor Cherubinischer Lobgesang geschrieben, den er seinem russischen Freund Mstislaw Rostropowitsch zum sechzigsten Geburtstag widmete. Im Original heißt er Ize Cheruvimy, was mit kyrillischen Buchstaben zu schreiben wäre, weil sein Text im alten Kircheslawisch vertont ist. In der Liturgie der russisch-orthodoxen Kirche ist der cherubinische Lobgesang ein Hymnus auf die Heilige Dreifaltigkeit, der zum sogenannten Großen Einzug gesungen wird. Die Cherubim sind einer von den neun Engelschören des Himmels, Lichtgestalten als Wächter und Boten Gottes.Penderecki versucht – ohne direkte musikalische Zitate der liturgischen Tradition – den hymnischen Charakter dieser frommen Musik einzufangen und einige ihrer emotionalen Gesten samt gewisser Strukturelemente seiner eigenen Tonsprache anzuverwandeln. So werden modale Wendungen für tonale Verschleierungen benutzt, um die eigene, geschärfte Harmonik, die in kleinen Intervallen dicht gedrängte Chromatik, bruchlos dem Gesamtfluß des strömenden Chorsatzes einzuverleiben. Längst hat sich Penderecki ja im souveränen Umgang mit stilistischer Vielfalt als Meister nahtloser Synthesen erwiesen.Die zunächst von den Altstimmen intonierte, weitgeschwungene Kantilene scheint eine reine F-Dur-Tonleiter aufzubauen, weicht aber schon vom B an mit synkopischen Umkreisungen und anschließenden Melismen einer tonartlichen Bindung aus. Charakteristisch sind dann die rasch repetierten Gebetsformeln, die zuerst von den tiefen Bässen psalmodiert werden. Das Geflecht des ruhig wogenden Chorsatzes wird immer dichter und weitet sich allmählich zur vollen Zwölfstimmigkeit aus, zum Raumklang einer Doppelchörigkeit, der auf einer starken dynamischen Steigerung und Verbreiterung des Tempos basiert. In den ekstatischen Furor singen die Tenöre warm-leuchtende Terzen hinein.Auf dem Höhepunkt, in üppiger Klangsinnlichkeit, reißt das jubelnde Vorandrängen plötzlich ab. Die Tenöre allein stimmen die Eingangskantilene wieder an, auch das Litaneigemurmel der Gebetsformeln taucht erneut wieder auf (mit dem Penderecki übrigens deutlich auf seine Utrenja-Komposition zurückverweist). Die Bässe leiten mit ihren Repetitionen auf dem F in den Alleluja-Schlußteil des Lobgesangs hinein, der in noch ruhigerem Tempo still verklingt: einige Stimmen summen wieder das F mit geschlossenem Mund, die tiefen Bässe raunen als letztes Wort nochmals Alleluja. Als illusionäres Mysterium erhofft sich der Komponist gar das ganz tiefe, das Kontra-F. Penderecki hat seit Utrenja nicht mehr so slawisch komponiert.
Dauer: 8' |
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