Pärt, Arvo (1935)
Fratres
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Mediengeflüster:
Fratres gehört nach wie vor zu den bekanntesten Werken von Arvo Pärt. 1977 komponiert (...), markiert es den Umschwung zu Pärts „Tintinnabuli“-Stil, dessen radikale Simplizität und religiöse Transzendenz gleichermaßen hitzige Diskussionen innerhalb der Avantgarde wie eine ungeahnte Popularität beim Publikum auslösten. Auch wenn das Stück mehr als 25 Jahre nach seiner Entstehung inzwischen weniger als Provokation und mehr als Teil einer inzwischen selbst historisch gewordenen „Postmoderne“ erscheint, hat es doch kaum etwas von seiner ursprünglichen Wirkung verloren: Die beharrlich festgehaltene, hymnusartige Melodiezeile, die das Bild einer vorüberziehenden Mönchsprozession heraufbeschwört, die quasi-tonale Beschränkung auf die Töne der Moll-Skala, die Anspielungen auf mittelalterliche Techniken des Organums oder der Isorhythmie schaffen auch heute noch eine hypnotische, rituell aufgeladene Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann. Wohl nicht zuletzt aufgrund seines ungewöhnlichen Erfolgs hat Pärt das Stück (das ursprünglich für ein estnisches Ensemble für Alte Musik konzipiert war) immer wieder für andere Besetzungen bearbeitet. Die offizielle Werkliste der Universal Edition nennt mittlerweile nicht weniger als zwölf verschiedene Versionen, darunter für so unterschiedliche Besetzungen wie Cello-Ensemble, Bläseroktett oder Gitarre mit Streichorchester und Schlagzeug. Die Neuausgabe für Viola und Klavier basiert auf der (kompositorisch bedeutendsten) Bearbeitung für Violine und Klavier, die Pärt im Auftrag der Salzburger Festspiele erstellte (und Fratres in der CD-Aufnahme mit Gidon Kremer und Keith Jarrett in die Klassik-Charts brachte). Als Bearbeiter ist im Online-Katalog der UE Lars Anders Tomter genannt, die Partitur erwähnt diesen aber nur als Interpret der Uraufführung. Es ist allerdings wenig wahrscheinlich, dass Pärt für die Viola-Version noch einmal persönlich Hand an den Notentext gelegt hat: Der Klavierpart ist identisch mit der Salzburger Fassung, in der Solo-Stimme wurden nur gelegentlich Anpassungen an den Tonumfang der Viola vorgenommen. Selbst die Original-Tonart (d-Moll über einer Bordun-Quinte a- e) wurde beibehalten, was die ohnehin schon beträchtlichen technischen Schwierigkeiten (das Arpeggio-Gewitter des Anfangs, die Doppelgriff-Attacken des sechsten Durchgangs, die Flageolett-Apotheose des Schlusses) in Ermangelung einer E-Saite an einigen Stellen noch steigert. Mit gewöhnlicher spielerischer Brillanz ist es bei Fratres allerdings nicht getan: Pärts Musik strebt nach absoluter Schönheit, sie verzeiht kein Mittelmaß. Wenn sie nicht in gleichsam überirdischer Vollendung vorgetragen wird, wirkt sie schnell banal. In der scheinbar widersprüchlichen Verbindung von Virtuosität und Verinnerlichung, von technischem Kalkül und spirituellem Anspruch liegt denn auch die eigentliche Herausforderung des Stücks.
(Das Orchester, 3/05)
Ausgabe: sheet music Hersteller: Universal Edition AG, Forsthausgasse 9, 1200 Wien, Österreich, sales@universaledition.com |
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