Missa lucida – eine „helle“, eine „klare“ Messe. Hell und klar sind Eigenschaften, die sowohl das Äußerliche als auch den Klang der Trompete charakterisieren, die hier neben der Orgel und der einstimmig geführten Schola das musikalische Geschehen trägt.
Trompete und Kirche – man denkt da fast unwillkürlich an barockes Figurenwerk und mehr oder weniger pompöses Geschmetter.
Aber warum eigentlich diese Beschränkung?
Der Sound der Trompete kann bei der Missa lucida problemlos zwischen klassischem „Strahl“ und dem verhaltenen Ton von Miles Davis’ „Harmon Mute“- Dämpfer wechseln; vielleicht passt zum vom Philly-Soul der 1970er-Jahre beeinflussten kurzen Kyrie besonders gut der warme Glanz des Flügelhorns.
Der Fantasie der Ausführenden sind hier keine Grenzen gesetzt: letztlich entscheidet der (gute) Geschmack. Das gilt in ähnlicher Weise für eine eventuelle „Aufstockung“ des Klangbildes.
So spricht aus musikalischer Sicht nichts gegen eine Verdopplung oder Ergänzung des Orgelsatzes durch zusätzliche Keyboards, beispielsweise ein Fender Rhodes E-Piano (die beigefügte Akkordbezifferung lässt Spielraum für individuelle Interpretation).
Und auch der Einsatz von zusätzlichen Percussion-Instrumenten kann - sofern die akustischen Bedingungen des Aufführungsorts das zulassen - durchaus bereichernd wirken; auch hier bleibt es im Ermessen der Ausführenden, ob sie sich eher von Carl Orff oder Carlos Santana (oder von beiden) inspirieren lassen.
Wäre die Missa lucida demnach eine „Pop-Messe“? Jedenfalls und ganz entschieden nicht im Sinne einer Anwendung der „Neues Geistliches Lied“- Tradition auf den Messezyklus.
Aber ein (post-)konziliares „aggiornamento“ der musikalischen Praxis beim Gemeindegottesdienst - auch mit ökumenischer Perspektive - ist durchaus im Sinne des Verfassers.
Christian Pfarr, im Sommer 2010