„De Poeta“ entstand 1988 und ist die Vertonung des berühmten „Wessobrunner Gebets“, der ältesten, um 800 entstandenen deutschen Dichtung christlicher Prägung.
Der als „De Poeta“ („von einem Dichter“) überschriebene althochdeutsche Text verbindet heidnisch-germanische
mythologische Elemente der Naturreligion mit christlichem Glaubensgut und besteht aus zwei Teilen: einer im Stabreim verfassten Vision des Schöpfungsgedankens und einem frommen Anrufen und Beten, das dem Endreim verpflichtet ist.
Die musikalische Vertonung lehnt sich an diese zwei Formen des Reimes an und verwendet als Tonmaterial achttönige Modi, die auf die antike Tetrachordlehre zurückgehen.
Die Tonsprache will keinesfalls als eine Kopie des Mittelalters verstanden werden, macht aber wesentlich Gebrauch von antiphonalem, responsorialem, mehrchörigem Gesang, von freiem, gleichsam Neuem nachzeichnendem Rhythmus und versucht, die geistige Aussage früher Zeiten in ihrer Bedeutung für uns heute neu zu artikulieren.
Die Besetzung für vier Chöre und Glocken entspringt dem Zauber der Verbindung von mit-, zu- und
gegeneinander gesungener Sprache mit dem „elementaren“ Erklingen der Glocken, welches die
menschliche Stimme „weiter tragen“, das Gesungene „verkünden“ und kontrapunktieren soll.
Michael Radulescu