Ausgabe für Violine und Klavier, Monsieur Sarasate gewidmet
Vorbemerkung aus der Notenausgabe
Camille Saint-Saëns (1835-1921) ist neben César Franck der bedeutendste französische Komponist in der auf Berlioz folgenden Epoche.
Sein größtes Verdienst waren seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Instrumentalmusik zu einer Zeit, als in der französischen Konzertmusik leichte, melodiöse Modeware bestimmend war.
Saint-Saëns hatte dagegen wieder hohe Maßstäbe im handwerklichen Können und in der Form gesetzt und den sinfonischen Stil, der als veraltet und gelehrt galt, durch das eigene Beispiel gefördert (3. Symphonie c-Moll, Symphonische Dichtungen: Le rouet d'Omphale, Phaëton, La danse macabre u. a.).
Dem Einfluß Wagners, dem viele französische Komponisten eine Zeitlang unterlagen, entzog sich Saint-Saëns ebenso wie später dem Debussys, den er um Jahre überlebte.
Er blieb seinem Musizier-Ideal, das sich an die Traditionen des 18. und 19. Jahrhunderts anschließt, noch verbunden, als sich auch in Frankreich die Neue Musik durchsetzte.
Introduktion und Rondo capriccioso für Violine und Orchester gehört zu den beliebtesten Kompositionen Saint-Saëns'. Es ist auch ein bevorzugtes Repertoirestück der Geiger, die ihre Virtuosität in einer gefälligen Form entfalten. können.
Das Werk läßt sich in seiner formalen Anlage aus der traditionellen französischen Opernballettmusik ableiten. Der musikalische Duktus jedoch entspricht in seiner Eingängigkeit den in der Klavier- und Kammermusik gebräuchlichen Ausdrucksnormen, wie sie der französische Salon - als Lebensraum der französischen Kammermusik - ausgebildet hat. Was das Werk von Saint-Saëns von diesen Stücken unterscheidet, ist das hohe Maß der Formbeherrschung, die Eleganz des Ausdrucks.
Wie auch in den Solo-Konzerten für Violine, Violoncello oder Klavier bildet das Erfassen der speziellen Möglichkeiten des Soloinstruments ein Hauptkennzeichen seiner konzertanten Musik, wobei vieles an Mendelssohn erinnert. Da eine regelmäßige, klar gegliederte Form und ein lebendiger Rhythmus für Saint-Saëns primäre Ordnungsprinzipien sind, wird die Harmonik entlastet.
In seinen Werken ist daher die harmonische Anlage weit weniger kompliziert als etwa bei Debussy.
Daran hielt er noch bis zu seinen letzten Werken fest.
Introduktion und Rondo capriccioso entstand 1863. Der 28 jährige, in dieser Zeit als Organist an der Pariser Madeleine-Kirche tätig, hatte Umgang mit den bedeutendsten Musikern Europas, die sich in seinem Montag-Salon trafen: neben Richard Wagner, Franz Liszt, Clara Schumann, Anton Rubinstein auch der spanische Violinvirtuose Pablo de Sarasate (1844-1908), dem das Werk gewidmet ist.
Die vorliegende Ausgabe basiert auf der von Georges Bizet bearbeiteten Ausgabe für Violine und Klavier.
Zusätzlich wurden aus der Partitur Artikulationen, Phrasierungen und dynamische Zeichen ergänzt.
Weiterhin wurden Instrumentenangaben hinzugefügt und gelegentlich Ergänzungen von Noten nach der Partitur vorgenommen.
Ulfert Thiemann