Einführung:
„in principio” entstand als Auftragskomposition für ein Konzert mit Antonio Vivaldis Gloria RV 589 und Magnificat
RV 610.
Eine Kompilation von Worten aus dem ersten Kapitel des Johannesevangeliums in lateinischer Übersetzung bildet
die textliche Grundlage. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.” – So
beginnt das Johannesevangelium mit dem „Prolog” – einem Hymnus über das Wort, das Gott selbst ist, aus dem
alles entstanden ist und das in die Welt kam. In der Komposition sind diese Worte mit dem Bericht über die Berufung der ersten Jünger verwoben. Dazwischen erklingt das Zeugnis Johannes des Täufers: „Siehe, das ist Gottes
Lamm.”
Gott, das Wort, wird Mensch,
kommt in die Finsternisse,
trägt die Sünden
und wohnt – wo? – in uns.
Schaut selbst!
So kann „in principio” eine Verbindung zwischen dem Lobgesang der Maria (Lukas 1,46–55) und dem Gesang der
Engel an Weihnachten (Lukas 2,14) herstellen. Ersterer hat seinen Platz – neben der sommerlichen Begegnung
Marias mit Elisabeth (in kirchlichen Kalendern am 2. Juli) – im abendlichen Stundengebet und ist nicht zuletzt im
Advent beliebt. Letzteres erklingt als Lobgesang in der Feier der Messe.
Das vorliegende Stück lässt sich das ganze Jahr über musizieren, besonders in der Advents- und Weihnachtszeit,
zu Beginn der Zeit im Jahreskreis in der katholischen bzw. im Sommer in der evangelischen Liturgie, wenn die
Berufungsgeschichten aus den Evangelien gelesen werden.
Musikalisch hat „in principio” Bezüge zu beiden Werken Vivaldis:
● die homophone Chorbehandlung, die Begleitfigurationen und der abwärts schreitende Bass finden sich in
beiden Werken,
● die Motivik der ersten Geige zu Beginn ist aus dem Eingangsritornell des Gloria gewonnen,
● inhaltlich verwandte Textstellen lassen deutliche Verbindungen zum Gloria erkennen („Agnus Dei”, „Et incarnatus” und „Et Verbum caro factum est”),
● die Besetzung für Sopran- und Alt-Solo, Chor und Streichensemble nimmt Rücksicht auf die zweite Fassung des
Magnificat.
Es ist aber dennoch ein in sich geschlossenes Stück mit eigener Tonsprache. Eine Aufführung der ca. 10-minütigen
Musik ist sowohl im Zusammenhang mit Vivaldis Kompositionen möglich und denkbar, aber auch unabhängig von
ihnen.
„in principio” schafft musikalische Atmosphären. Wie aus dem Nichts beginnt der Streichersatz sich allmählich aufzubauen und zu beleben. Der Chor schwebt mit ruhigem Ausdruck über dem Geschehen, wie der Geist Gottes,
der sich über den Wassern bewegt. Wenn über das Licht gesungen wird, entsteht in den Instrumentalstimmen
gleichsam ein Flirren. Dissonanzen der Solostimmen erinnern an die sehnsüchtige Hoffnung auf Erlösung. Sie wird
durch eine ruhig fließende Kantilene mit der Verheißung der Inkarnation des Wortes genährt. Nach einer finalen
Steigerung verschwebt das Stück, endet, wie es begonnen hat, im Nichts. Oder klingt vielleicht in den Zuhörenden
nach und weiter ...