Die Harmoniemesse (1802) ist gelegentlich als "die schönste Messe neben Beethovens Missa solemnis" bezeichnet worden. Haydn schrieb sie als 70jähriger auf dem Höhepunkt seines Ruhmes. Sie entstand nach den beiden Alterswerken "Die Schöpfung" (1799) und "Die Jahreszeiten" (1802). Noch überzeugender als in früheren Meßvertonungen glückte Haydn in der Harmoniemesse eine kunstvolle Verbindung von symphonischem und oratorischem Stil.
Der vorliegende Klavierauszug wurde nach dem Autograph der Partitur erstellt. Allzu schematische Ergänzungen der von Haydn sparsam gesetzten Phrasierungsbögen, wie sie sich in manchen älteren Editionen finden, wurden in dieser Neuausgabe vermieden. Gegenüber bestehenden Ausgaben zeichnet sich der Klavierauszug durch übersichtliches Seitenlayout mit günstigen Wendestellen aus.
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Vorwort
der Notenausgabe
Joseph Haydn war eine hochangesehene Persönlichkeit, als er 1790 nach dem Tod des Fürsten Nicolaus I. von Esterházy nach fast 30jähriger Tätigkeit aus dem Kapellmeisterdienst entlassen wurde. Materiell unabhängig, übersiedelte Haydn von Eisenstadt nach Wien, um sich als freier Künstler ganz seinem Schaffen zu widmen. Zwei längere Aufenthalte in England brachten ihm große Erfolge, u.a. mit den 12 Londoner Symphonien. 1791 wurde Haydn mit der Doktorwürde der Universität Oxford geehrt. Als 1795 die Esterházysche Kapelle unter dem neuen Fürsten Nicolaus II. ihren Dienst wieder aufnahm, berief man Haydn erneut zum Kapellmeister. Seine Anwesenheitspflicht in Eisenstadt beschränkte sich aber nunmehr auf die Sommer- und Herbstzeit, außerdem hatte er alljährlich zum Namenstag der Fürstin Esterházy eine Messe zu schreiben. Dieser Vereinbarung verdanken wir die Entstehung der sechs späten Messen, der Paukenmesse (1796), Heiligmesse (1796), Nelsonmesse (1798), Theresienmesse (1799), Schöpfungsmesse (1801) und schließlich der Harmoniemesse (1802).
Am 14. Juni 1802 informierte Haydn den Fürsten, daß er an der für den Namenstag des Jahres 1802 bestimmten "Neuen Meß sehr mühesam fleißig" sei. Tatsächlich hat der Komponist an diesem Werk mit besonderer Sorgfalt gearbeitet. Gegenüber einigen früheren Messen Haydns zeichnet es sich durch Vollständigkeit und korrekte Abfolge des liturgischen Textes aus. Keine andere kirchliche Komposition Haydns ist so glänzend instrumentiert wie diese; die als außergewöhnlich reich empfundene Bläserbesetzung brachte dem Werk später den Beinamen "Harmoniemesse" ein, der aber auch unter den Eisenstädter Orchestermitgliedern dazu gedient haben mag, diese Messe von ihren beiden ebenfalls in B-Dur stehenden Vorgängerinnen zu unterscheiden. Auch der ersten Aufführung der Messe hat Haydn große Aufmerksamkeit gewidmet. Schon im erwähnten Brief an Esterházy gestand er, "forchtsam" zu sein, "ob ich noch einigen beyfall werde erhalten können". Die auffallend große Zahl von Änderungen, die der Komponist persönlich in die von seinem Kopisten ausgeschriebenen Stimmen eingezeichnet hat, läßt darauf schließen, daß die Einstudierung des Werkes mit großer Akribie erfolgt ist. Bei ihrer Uraufführung am 8. September 1802 in der Bergkirche zu Eisenstadt wurde die Harmoniemesse begeistert aufgenommen. Der Londoner Gesandte Ludwig Fürst Starhemberg, einer der zahlreichen adeligen Festteilnehmer, sah in der Aufführung unter Leitung des 70jährigen Haydn ein kaum zu überbietendes Kunstereignis ("Riens de plus beau et de mieux exécuté"). In seinem Tagebuch rühmt er die "Messe superbe, nouvelle musique excellente du fameux Haydn".
Stilistisch vereinen sich in Haydns späten Messen Traditionen der alt-österreichischen Barockmusik, von denen die Jugendzeit des Komponisten geprägt war, mit seinem symphonischen Spätstil. Von ihnen führt ein direkter Weg zu den beiden Oratorien Die Schöpfung (1799) und Die Jahreszeiten (1801). Die Harmoniemesse, die Alfred Schnerich als "die schönste Messe nach Beethovens Missa solemnis" bezeichnete, ist Haydns letzte vollendete Meßkomposition, nicht nur in chronologischer, sondern auch in künstlerischer Hinsicht. Mit Recht kann man, wie Leopold Nowak formulierte, in der Harmoniemesse "eine Art 'Summa Missarum Josephi Haydn'" sehen. Daß der Messe dennoch bis heute nicht die ihr gebührende Wertschätzung entgegengebracht wird, ist wohl vor allem auf den Einfluß des Cäcilianismus im 19. Jahrhundert zurückzuführen, von dem die Kirchenmusik etwa der Wiener Klassik als unkirchlich angesehen und daher abgelehnt wurde.
Über 150 Jahre hat es gedauert, bis die Harmoniemesse in den Blickwinkel wissenschaftlicher Editionspraxis gelangte. Die erste kritische Ausgabe erschien 1966 im Rahmen der vom Joseph Haydn-Institut Köln herausgegebenen Gesamtausgabe, nachdem der Erstdruck der Partitur noch zu Lebzeiten Haydns (1808) bei Breitkopf & Härtel erfolgt war. 1910 legte Georg Göhler im Verlag Rieter-Biedermann eine revidierte Neuausgabe vor, die in erster Linie unter aufführungspraktischen Gesichtspunkten eingerichtet war. Auf der Grundlage dieser Partitur erschien 1922, ebenfalls von Göhler herausgegeben, der Klavierauszug der Harmoniemesse in der Edition Peters.
Zur vorliegenden Partiturausgabe sind das vollständige Aufführungsmaterial sowie der Klavierauszug (EP 8904) neu erschienen.
C. F. Peters