Carl Philipp Emanuel Bach war um 1750 einer der ersten deutschen Komponisten, der überhaupt Violoncellokonzerte schrieb.
Umso respektabler ist, dass die zwei so innovativen Werke Wq 170 und 171 dann die Jahrhunderte schadlos überdauert haben.
Heute wird insbesondere das 1750 komponierte a-moll-Konzert häufiger gespielt – im Mai 2004 stand das Werk (klavier-begleitet) als Pflichtstück beim Internationalen J. S. Bach-Wettbewerb in Leipzig im Mittelpunkt des Interesses.
Für Ulrich Leisinger, Mitarbeiter am Leipziger Bach-Archiv, war dies Herausforderung und Anlass, bei seiner textkritischen Edition die Ausgabe für Violoncello und Klavier vorzuziehen.
Vorwort:
Während seiner langen Karriere als Komponist schrieb Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) mehr als 50 Konzerte für ein Soloinstrument und Orchester.
Zwar ist die Mehrzahl der Werke für das Klavier bestimmt, doch wurden ungefähr ein Dutzend Konzerte ursprünglich für Flöte, Oboe oder Violoncello geschrieben und erst nachträglich für Bachs eigenes Instrument, das Cembalo, eingerichtet.
Zwischen 1750 und 1753 komponierte Bach Cellokonzerte in a-moll (Wq 170), B-dur (Wq 171) und A-dur (Wq 172); zur selben Zeit schrieb auch sein Halbbruder Johann Christian Bach, der nach dem Tod des Vaters in seinem Haushalt lebte, gleichfalls ein – heute verschollenes – Cellokonzert.
Diese Stücke gehören zu den ältesten Konzerten für solistisches Violoncello in Deutschland überhaupt.
Es ist nicht bekannt, ob die Werke für den Cellisten Ignaz Mara (1721–1783) – wie Bach Mitglied der preußischen Hofkapelle – oder für einen anderen Virtuosen bestimmt waren.
Laut dem Verzeichniß des musikalischen Nachlasses des verstorbenen Capellmeisters Carl Philipp Emanuel Bach, Hamburg, (Schniebes 1790, S. 31, Nr. 27) ist das Konzert a-moll Wq 170 im Jahr 1750 in Berlin entstanden und liegt auch in zwei weiteren authentischen Fassungen – für Flöte (Wq 166 [Musica Rara 2195]) und für Cembalo (Wq 26) – vor.
Unter Bachs Cellokonzerten ist nur für dieses die Originalpartitur erhalten geblieben.
Das Autograph wird unter der Signatur Mus. ms. Bach P 355 in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, aufbewahrt.
Der eigenhändige Kopftitel lautet: „Concerto a Violoncello obl. 2 Violini Viola e Basso di CPEBach.“ Das Manuskript ist deutlich geschrieben und bereitet keine editorischen Probleme.
Das Violoncello ist zwischen der Bratsche und dem Generalbass notiert und enthält auch Eintragungen bei den Orchesterritornellen.
In den beiden erhaltenen Abschriften des 18. Jahrhunderts, einer Reinschrift aus der Zeit um 1795 von Bachs Hauptkopist Johann Heinrich Michel für den Schweriner Sammler Johann Jakob Heinrich Westphal (heute in Verwahrung der Bibliothek des Königlichen Konservatoriums Brüssel, Signatur: 5633 MSM) und einem Stimmensatz von der Hand eines unbekannten Berliner Schreibers aus der Zeit um 1780 aus der Sammlung der Sing-Akademie zu Berlin (zur Verwahrung in der Staatsbibliothek zu Berlin, Signatur: SA 2603), sind die Ritornelle im Cellopart ausgeschrieben.
Wir können daraus schließen, dass der Solist die Aufführung leiten sollte; es ist daher dem Ausführenden überlassen, in welchem Umfang er sich an den Ritornellen und den Einwürfen des Orchesters zwischen und innerhalb der
Soloepisoden beteiligen möchte.
Der Ausgabe liegt mit freundlicher Genehmigung die Originalpartitur aus der Staatsbibliothek zu Berlin und die autorisierte Stimmenabschrift des Königlichen Konservatoriums zu Brüssel zugrunde.
Leipzig, Herbst 2003 Ulrich Leisinger