Die Geschichte der Orgel ist eng mit den Wegen und manchmal auch Irrwegen der europäischen Kultur verbunden. Wann und wo genau entstand die Orgel eigentlich in ihrer heutigen Form? Was haben die Araber zur Entwicklung dieses scheinbar »christlichen« Instruments beigetragen? Wie geriet sie in den religiösen Bildersturm? Wer brachte sie in die Konzerthallen? Wie hat sich die digitale Revolution auf die Orgel ausgewirkt?
Karl-Heinz Göttert schildert all dies in vier Kapiteln: von der Vorgeschichte im antiken Ingenieurswesen über die technische Seite des Orgelbaus bis zu den beteiligten Personen, den Orgelbauern und den Organisten. Dabei werden auch ganz spezielle Fragen beantwortet, u. a. warum in der frühen Neuzeit »italienische« Orgeln anders aussehen als »norddeutsche«, welche Rolle die Konfessionen, die Zollschranken, die Industrialisierung spielten, wie Orgelbauer mit Privilegien umgingen oder seit wann das Virtuosentum auch ins Orgelspiel eindrang. Fazit: Die Orgel war und ist das monumentale Instrument in der Musikgeschichte. Ein näheres Kennenlernen lohnt sich. Und die Lektüre dieses faszinierenden Textes verspricht Spannung!
Einleitung
Kapitel 1: Vorgeschichte - Von Orgeln vor der Orgel
Kapitel 2: Orgelbau - Von Registern, Windladen und nationalen Stilen
Kapitel 3: Orgelbauer - Von Wanderschaft, Privilegien und immer neuen Tüfteleien
Kapitel 4: Organisten - Von Diensten, Virtuosentum und kompositorischen Ambitionen
Kapitel 5: Orgelmusik - Von Medienpräsenz, Filmen und Romanen
Farbabbildungen
Der Autor
Karl-Heinz Göttert lehrte von 1990 bis 2009 als Professor für Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Köln. Nach seiner Emeritierung unterrichtet er in St. Petersburg, Prag und an verschiedenen chinesischen Universitäten. Forschungsschwerpunkte sind die Literatur der Mittelalters, Rhetorik, Kulturgeschichte. Bei Bärenreiter erschienen die zusammen mit Eckhart Isenberg verfassten Erfolgstitel Orgelführer Deutschland I, Orgelführer Deutschland II, Orgelführer Europa und Orgeln! Orgeln!
Erscheinungsform: Gebunden
Seitenanzahl / Format: ca. 400 S.
Einleitung
Charles-Marie Widor, 1870 mit 25 Jahren Organist an der großen Cavaillé-Coll-Orgel von Saint-Sulpice in Paris geworden, berichtete über ein für ihn traumatisches Erlebnis. Während des Aufstands der Pariser Kommune, ein Jahr nach seiner Ernennung, war die Kirche besetzt worden. Gottesdienste fanden nicht mehr statt, man hielt auf der Kanzel politische Reden oder spielte Karten. Einer der Kommunarden hatte damals den Gedanken, dass man auf die berühmte Orgel nicht zu verzichten brauche, Widor solle auf ihr die Marseillaise spielen. Der lehnte mutig ab, und es ist nicht schwer, seinen Grund zu verstehen. Für Widor war die Orgel in diesem Raum ein liturgisches Instrument. So hatte er sie immer verstanden, und so hatte er sie immer eingesetzt. Der Revolutionär gab nach, es kam zu keinem Zwischenfall, Gewalt wollte er denn doch nicht anwenden.
Aber das Kapitel »Kirche und Marseillaise« ist damit nicht zu Ende erzählt. Fast genau 100 Jahre später, am 12. November 1970, war General de Gaulle gestorben und erhielt in Notre-Dame in Paris sein feierliches Totenamt. Diesmal saß wieder einer der ganz Großen an der Orgel, Pierre Cochereau. Und diesmal kam es zu dem, was für Widor undenkbar schien. Am Ende des Gottesdienstes, beim Auszug des Klerus, improvisierte Cochereau über die Marseillaise. Niemand protestierte. De Gaulle war zum Symbol für Frankreich geworden, für den Wiederaufstieg nach dem Krieg. So erschien die Marseillaise als angemessener Dank. Wer nun glaubt, hier habe es sich um eine einmalige Ausnahme oder gar Entgleisung gehandelt, irrt. Am 15. November
2015 fand wiederum in Notre-Dame ein Gedenkgottesdienst statt, diesmal für die Opfer des terroristischen Anschlags zwei Tage... weiter gehts im Buch!